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1 - 12.6.2015

Pilgern heißt "beten mit den Füßen", hab ich mal irgendwo aufgeschnappt. Zum Beten bekommt man viele Gelegenheit auf rund 180 Kilometern von Mainz nach Fulda. Es ist nicht immer angenehm, nicht nur Genusswandern in schöner Landschaft. Da ist auch mal ein Marsch durch brütende Hitze, über staubige Feldwege, der Schweiß tropft einem in die Augen. Wirtschaftswege führen durch langweilige gradlinige Monokulturen, Wein, Obstbäume und dann die architektonische Grausamkeit Frankfurter Stadterweiterung, quadratisch, praktisch und verrostet. Aber wer sagt denn, pilgern sei angenehm?

"Wir sind dann mal weg". Raus aus Alltag und Berufsleben, der eigenen Wohnung. Wir wollen "stilvoll" pilgern, übernachten in einfachen Herbergen, nur zu Fuß und kein Handy. Aber so ganz "weg", wie Hape Kerkeling auf seinem Weg nach Santiago di Compostela, ist die Bonifatiusroute dann doch nicht. Der Weg führt einen Kilometer vor der eigenen Haustür entlang. Klar, diese kostengünstige Privatunterkunft wird genutzt. Und als eine Unpässlichkeit zwei Tage zur Unterbrechung zwingt, ist ein Krankentransport nach Hause schnell organisiert. Es ist halt alles "um die Ecke". Deshalb pilgern die meisten auf der Bonifatiusroute etappenweise. Man fährt abends wieder nach Hause, und kehrt am nächsten Morgen zurück, um den nächsten Abschnitt des Weges in Angriff zu nehmen. Gute Verkehrsanbindungen machen es möglich.

"Bonifatius letzter Weg" führt von Mainz aus dicht an Frankfurt vorbei, bevor er über die Wettrau in die Abgeschiedenheit des Vogelsberg eintaucht. Dieser Weg schafft einen eigenen Charakter. Obwohl ich aus der Gegend komme, bin ich im Rückblick erstaunt über die vielen Wahrnehmungen und Entdeckungen, die ich ohne Plílgern nie gemacht hätte. Man muss sich Zeit nehmen für die zahlreichen Sehenswürdigkeiten, Kirchen und Infotafeln am Wegesrand und nicht zuletzt für die Begegnungen mit Mensch und Natur. "Haben Sie Wunder erlebt?", fragt mich der freundliche Museumsdiener im Fuldaer Dom, als ich ihm unsere Pilgerausweise zum letzten Stempel vorlege. Spontan antworte ich mit ja. Ich "wundere" mich tatsächlich, die ganze Strecke aus eigener Kraft gegangen zu sein. Ich fühle mich wohl, selbst die Füße sehen besser aus als vorher und die befürchteten Rückenschmerzen sind ausgeblieben. Zwei Wochen lang gab es ein trockenes Superwetter, wenn das kein Wunder ist!

Es bleibt auch so manche Erkenntnis, wie z.B. über die "Entschleunigung", die langsame Fortbewegung. Wie sieht das Leben aus ohne die motorisierte Mobilität? Vielleicht ist die Möglichkeit gar nicht so gut, immer schnell irgendwo hinzukommen. Weniger ist manchmal mehr, wie beim Gewicht des Rucksacks.

Erster Tag (1.6.2015), Mainz - Hochheim, 9 km

In Mainz mit der Bahn angekommen, besorgen wir uns einen Pilgerpass mit erstem Stempel, besuchen den Dom und die Stefanskirche. Wir haben keine Eile, denn es nieselt unablässig und erst für den Nachmittag hat der Wetterbericht Besserung gelobt. Dann geht es los und wir kommen abends in Hochheim an. Der Himmel reißt auf und der dritte Stempel wird fällig in der katholischen Kirche St. Peter und Paul.
Unterkunft Hotel Duchmann, 80 EUR Dz. mit Fr.
Zweiter Tag (2.6.2015), Hochheim - Kriftel, 17 km

Wir verlassen die gemütliche Weinpension nicht allzu früh. Es regnet noch leicht. Durch's Weinanbaugebiet geht es über die Warte mit weitem Blick nach Frankfurt. Das Wetter wird zunehmend sonnig. Der Fluglärm ist erträglich. Wir hatten es uns schlimmer vorgestellt. Der Wind ist günstig. Die Weinmonokultur wird abgelöst durch Obstplantagen. Erste Bewässerungsmaßnahmen werden getroffen, es ist zu trocken, das bischen Regen reichte nicht. Große Enttäuschung: Die Bonifatiuskapelle in Kriftel ist geschlossen und keinerlei Hinweis, wie man an den Schlüssel kommt.
Villa Orchard, 69 EUR Dz. ohne Fr.
Dritter Tag (3.6.2015), Kriftel - Steinbach, 17 km

Weiter geht's nach kurzem Frühstück in einer Bäckerei Richtung Zeilsheim. Es wird uns klar, dass zweimal eine Autobahn überquert werden muss, aber der Schlenker lohnt sich nicht zuletzt wegen der sehenswerten Pfarrkirche in Zeilsheim. In Schwalbach wiege ich in einer Apotheke meinen Rucksack: knapp unter 8 Kilo. Große Enttäuschung: Die katholische Kirche St. Maria Rosenkranzkönigin ist zwar offen, hat aber keinen Pilgerstempel. Vielleicht hat der sich selbstständig gemacht? Ehrenrunde in Eschborn, der Weg ist hier irreführend im Kreis ausgeschildert. Der dritte Tag geht an die Substanz (es wird noch schlimmer kommen). Abends im Bett tut alles weh: Füße, Unter- und Oberschenkel. Aber am nächsten Morgen sind die Schmerzen verschwunden. Gürtel und Hüftgurt des Rucksacks werden enger geschnallt. Den Regenponcho lasse ich daheim. Wieder 700 Gramm weniger.
Privatunterkunft in Steinbach.
Vierter Tag (4.6.2015), Steinbach - Karben, 21 km

Das Wetter prophezeit Sonne und Hitze. Gut ausgeruht geht es früh los, unter die 661 hindurch Richtung Niederursel. Eine wunderschöne evangelische Kirche erwartet uns. Doch leider ist sie geschlossen und von einer Stempelmöglichkeit keine Spur. Von den katholischen Kirchen sind wir offene Tore gewohnt, nicht so bei den evangelischen. Zum Glück hat der Lahme Esel ein erbarmen mit uns. Wir bekommen dort unseren ersten und einzigen Stempel des Tages. Ich gehe zum ersten Mal durch das Unigelände Riedberg und bin erstaunt über einen rostigen Eingang zur physikalischen Abteilung: "Na nu, solche Überreste einstiger Industriekultur findet man doch sonst nur im Ruhrgebiet?!" In Nieder-Erlenbach legen wir im Obsthof am Steinberg eine Rast ein und "tanken" Apfelsaft aus eigener Herstellung. Das ist auch bitter nötig. Der Weg führt überwiegend durch Felder, Wirtschaftswege, kaum Schatten.
Privatunterkunft in Friedberg.
Fünfter Tag (5.6.2015), Karben - Kloster Engelthal, 22 km

Ausgerechnet für den heißesten Tag der Tour nehmen wird die bisher längste Strecke auf uns. Es wird unser "schlimmster" Tag. Eigentlich fängt alles gemächlich an mit der kath. Kirche Bonifatius in Karben. Sie liegt nicht auf der Route. Wir machen einen kleinen Umweg und haben Glück. Die freundliche Gemeindeschwester gibt uns den ersten Stempel des Tages und lässt uns einen Blick in die wunderschöne Backsteinkirche werfen. Dann geht's los, rauf aus dem Niddatal bergauf. Noch ein kurzer Besuch im Rosenhang, ein paar Kilometer durch den Wald und dann brennt die Sonne erbarmungslos auf uns nieder. Ich kann gar nicht so schnell trinken, wie ich an Flüssigkeit verliere. Die Strecke Büdesheim nach Heldenbergen scheint schier endlos. Wir quälen uns durch glühendheiße Felder. Kein Lüftchen regt sich. der Schweiß tropft. Sogar dass Bonifatiuskreuz lassen wir rechts liegen, um Kräfte zu sparen. Nach Eichen führt der Weg durch einen Wald, selbst dort ist es kaum kühler und wir wollen pünktlich vor halb sechs im Kloster sein, Respekt vor dem Klosterleben. Wir schaffen es. Die kühlen Mauern des Klosters Engelthal sind die Erlösung von dieser Qual.
Pilgerunterkunft Kloster Engelthal, 67 EUR Dz. mit Fr. und Abendessen.
Sechster Tag (6.6.2015), Kloster Engelthal - Düdelsheim, 14 km

Wir schalten einen Gang zurück nach der Anstrengung des Vortags. In Altenstadt besorge ich mir in einem Sportgeschäft neue Gummies für meine Wanderstöcke. Ich hätte nie gedacht, dass ich die durchlaufen würde. Unvorstellbar, jemals wieder kalte Füße zu haben.
Pension Borst an der Kirche, 50 EUR Dz. mit Fr.
Siebter Tag (9.6.2015), Glauburg - Hirzenhain, 22 km

Zwei Tage mussten wir aus gesundheitlichen Gründen unterbrechen. Am Dienstag landen wir vormittags mit der Bahn in Glauburg und wandern die zwei Kilometer zum Museum hinauf, um uns den ersten Stempel des Tages abzuholen. Das Wetter hat merklich abgekühlt und mit frischen Kräften wird der angenehme Teil der Route in Angriff genommen, der Vogelsberg mit seinen schattigen Wäldern. Vorsichtig geschätzt setzen wir uns Eckartsborn als Ziel, schließlich geht es jetzt in die Berge und tendenziell aufwärts. Wir kommen aber weiter als gedacht, bis Hirzenhain.
Hotel Stolberg, Metzgerei Stiebeling, 62 EUR DZ. mit Fr.
Achter Tag (10.6.2015), Hirzenhain - Sichenhausen, 14 km

Die freundliche Wirtin des trotz Straßenlage erstaunlich ruhigen Hotels empfielt uns den Steinberger Weg zur Weidenkirche. Die Route führt links der Nidder wieder bergauf und verläuft parallel zur Bonifatiusroute. Diese Streckenvariante ist unbedingt zu empfehlen. Über die Marcellinus-Kapelle erreichen wir Burkhards. Wir verlassen den Pfad und steigen zum Dorf hinab. Zum Rasten ist es zu früh, zur großen "Gipfelquerung" zu spät. Also entschließen wir uns für Sichenhausen. Schon in Bughards im Gasthaus zum Niddertal empfielt man uns die Pension Döll in Sichenhausen. Der freundliche Wirt gibt uns noch den Schlüssel für die sehenswerte ev. Kirche in Burghards. Nach kurzer Besichtigung geht es wieder hoch zur Bonifatiusroute.
Pension Döll, Zwei Personen 60 EUR mit Fr.
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Neunter Tag (11.6.2015), Sichenhausen - Blankenau, 20 km

Gut erholt machen wir uns auf eine längere Etappe, wobei der höchste Punkt der Route erreicht wird. Zunächst geht es weiter auf der alten Nidderstraße Richtung Hoherodskopf. Ein letzter Blick zurück auf Taunus und Mainmetropole, die nun für immer aus dem Blickfeld verschwinden. Dann ist der höchste Punkt überschritten und nach einer erholsamen Vogelsbergwanderung, immer bergab, kommen wir wieder in der Zivilisation an. Hochwaldhausen lassen wir schnell hinter uns, die im Reiseführer gepriesenen touristischen Angebote können wir nicht entdecken. Blankenau ist das Ende der Etappe und wir gehen erschöpft erst mal in die Kirche beim alten Kloster. Das ist auch gut so, denn Unterkünften sind auf diesem Streckenabschnitt selten, ebenso Lebensmittelgeschäfte und Gasthäuser. In der Kirche finden wir einen Hinweis auf eine neue Pilgerunterkunft in der alten Schule gegenüber. Ein Angebot, dass wir gern annehmen. Während die Stadt Blankenau für ihre 750-Jahrfeier rüstet, strecken wir erstmal unsere müden Glieder.
Pilgerherberge alte Schule, zwei Personen 37 EUR ohne Fr. aber mit freundlicher Betreuung durch die Gemeindeschwester.
Zehnter Tag (12.6.2015), Blankenau - Fulda, 19 km

Hochmotiviert starten wir unsere letzte Etappe. In Hainzell gibt es den ersten Tagesstempel in der Pfarrkirche mit dem berühmten Mosaik. Wir beschließen, den Tag langsam anzugehen und stärken uns beim Bäcker in Hainzell. Es geht noch ein paarmal bergab und wieder auf. Schatten und Sonne wechseln sich ab. Sehr wohltuend der Wald um Kleinheiligkreuz. Kurz vor Fulda durchpilgern wir ein Gewerbegebiet, das nicht enden will. Endlich der letzte Hügel und ein erster Blick auf Fulda mit dem Dom. Fulda empfängt uns mit reger Betriebsamkeit, ungewohnt nach den Tagen durch Wald und Natur. Im Dom holen wir uns den letzten Stempel. Beim freundlichen Küster deponieren wir unsere Rucksäcke und besichtigen den Dom. Wir werfen noch einen kurzen Blick in den Schlosspark. Danach gehen wir die letzten Meter zum Bahnhof, um den Regionalexpress Richtung Frankfurt zu besteigen.


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